24. November 2018

Leben oder gelebt werden- das ist die Frage. Was ist die Antwort?

Leben – oder gelebt werden: ein Unterschied?

Ich habe nach über einem Jahr ohne Kontakt eine Freundin zufällig auf der Strasse getroffen.

Nach dem üblichen kurzen Small-Talk über fast erwachsene Kinder, alt werdende Eltern und die eigenen Befindlichkeiten, fasste meine Freundin Ihre Situation so zusammen:

Weisst Du liebe Natali, ich habe das Gefühl ich lebe nicht, ich werde gelebt.

Ich war sehr schnell dabei zu sagen:

Oh ja – das geht mir ganz genauso.

Auf dem Weg nach Hause, habe ich meine schnelle Äußerung überdacht und grübele seitdem über meine Antwort. Warum habe ich, ausgebildet in allen möglichen schlauen Coaching Themen, in diesem Moment so empfunden als ob ich nicht selber lebe, sondern gelebt werde?

Ja , es gib solche Tage, an denen scheint das Leben ständig neue Herausforderungen parat zu haben und vor allem alle sorgfältig gemachten Pläne zu ignorieren. Der Volksmund sagt dann gerne,

das Leben hatte etwas anders mit mir vor.

Und ehrlich gesagt, ist das oft ja auch sehr schön, überraschend und inspirierend.

Genau wie diese zufällige Begegnung, die den Rest meines eng getakteten Tages am Ende auch ganz durcheinander brachte. Und ja – kurz dachte ich, ja ich werde gelebt, weil ich diesen Zufällen (wenn es denn welche sind, darüber kann man ja ebenfalls lange philosophieren) ja nicht aus dem Weg gehen kann. Oder etwa doch?

Ich hätte natürlich die Begegnung stark verkürzen können. Beschränkt auf kurzen Höflichkeits Small-Talk mit der Versicherung, man verabrede sich demnächst. Mein Zeitplan wäre im Takt geblieben und der Tag wahrscheinlich von anderen Zufällen unterbrochen worden. Wer weiss, wem ich noch alles begegnet wäre an diesem Tag, wenn ich statt 60 Minuten nur 3 Minuten mit meiner Freundin gesprochen  hätte.

Ich habe mich in dem Moment des Treffens aber dafür entschieden, dieser Begegnung jetzt Raum & Zeit zu geben. Aus welchen Motiven? Das ist eine andere Frage und spielt für mich bei diesen Überlegungen keine Rolle. Im Nachgang hallte vor allem dieser Satz meiner Freundin sehr nach:

Ich lebe nicht, ich werde gelebt.

Mich machte der Satz in diesem Moment traurig. Denn er hat auch bei mir dieses Gefühl getriggert, ich kann einfach gegen Manches nichts machen, ich werde gelebt von Anderen, weil ich in deren Geschichten eingebunden bin. So wie wir alle z.B. in die Geschichten unserer Familien eingebunden sind. Auch meine Eltern altern gerade sehr schnell und dabei zuzusehen macht hilflos. Und ja – in diesen Momenten habe auch ich manchmal das Gefühl, ich werde gelebt, weil ich davor stehe und an meiner eigenen Hilflosigkeit zu verzweifeln drohe.

Auf der anderen Seite, kann ich mir als absoluter Kontrollfreak nicht vorstellen „gelebt zu werden“. Dann müsste ich ja alle Kontrolle abgeben. Aber wäre das nicht auch mal gut?

In der Reflektion kam ich zu dem Schluss, dass dieser Satz meiner Freundin ganz gefährlich ist. Für Sie, für mich und als Geisteshaltung. Nur wenn er ein Gefühl beschreibt, richtet er keinen Schaden an. Beschreibt er hingegen eine Lebenshaltung, dann verneint er jegliche Fähigkeit zur Selbststeuerung und Selbstverantwortung. Als Gefühl hingegen zeigt er auf viele unerfüllte Bedürfnisse die es lohnt zu betrachten und zu hinterfragen.

Denn auch wenn wir oft vor Situationen stehen, die wir nicht ändern können, so können wir dennoch daran arbeiten, wie wir mit diesen Situationen umgehen wollen. In welcher Geisteshaltung wir ihnen begegnen und welche Bedürfnisse befriedigt werden können, um das Gefühl zu bekommen wieder selber die Zügel des Lebens in der Hand zu halten. Hier setzt für mich ein gelungener Coaching-Prozess an.

Ob das Glas halb voll oder halb leer ist entscheiden wir. Genauso wie wir im Alltag (fast) immer Wahlmöglichkeiten haben.

Ich hätte weitergehen können und so tun als ob ich sie nicht erkenne. Vielleicht hätte Sie mich trotzdem angesprochen. Keine Ahnung, wie ich dann reagiert hätte. Ich hätte vorschlagen können ein Café aufzusuchen. Ich bin einfach stehen geblieben, habe Sie umarmt und mich gefreut. Wir haben beide den Moment im Hier & Jetzt genutzt. Egal in wie vielen Momenten wir scheinbar keine Wahlmöglichkeit haben, aber eines ist für mich ganz sicher:

Wir leben nicht, um gelebt zu werden!

Was meint Ihr?

Ich glaube wir haben viel zu philosophieren, wenn wir uns das nächste Mal treffen liebe Freundin ,-) Wann treffen wir uns?

Alles Liebe

Natali

 

 

 

 

 

 

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